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Welche Bedeutung hat Rassismus für pferdegestützte Förderungen?

Autor*innen: Julia Boschmann, Astou Maraszto

Rassismus wird durch weiße Menschen nicht wahrgenommen, verschwiegen, ignoriert und verleugnet – trotzdem ist er allgegenwärtig und stellt gesellschaftliche Normalität dar.

Rassismus ist immer wann anders, woanders, jemand anderes und eben auch etwas anderes.

Terkessidis 2004:8 zit. in Mansouri 2021:70

Diese Rahmenbedingungen sind in uns allen „eingeschrieben“ und wirken, ob bewusst oder unbewusst, in unserem Denken und Handeln.

Rassismus ist in unserer Gesellschaft Normalität

Rassismus ist ein Prozess, in dem Menschen aufgrund bestimmter Merkmale
(z.B. Hautfarbe oder Sprache) in Gruppen eingeteilt sowie pauschal abgewertet, ausgegrenzt und benachteiligt werden.

Diese soziale und politische Konstruktion »Wir« gegen »die Anderen« sichert der eigenen Gruppe eine gesellschaftliche Machtposition und oft unsichtbare Privilegien, während »den Anderen« (marginalisierte Gruppen) die Teilnahme am Alltag der Mehrheitsgesellschaft erschwert und ihre Handlungsmöglichkeiten begrenzt werden.

Dabei beschränken sich rassistische Diskriminierungen nicht nur auf individuelles Handeln, sondern sind auch in gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Strukturen verankert [Fußnote 1].

Beispiel: Weiße Menschen (»Wir«) diskriminieren Schwarzen Menschen (»die Anderen«) aufgrund ihrer Hautfarbe. Dadurch sichern sie ihre gesellschaftliche Dominanzposition. Gegenüber der abgewerteten Gruppe entsteht so u.a. der Vorteil, dass weiße Menschen ihre Kinder nicht darauf vorbereiten müssen, wie es ist aufgrund der Hautfarbe diskriminiert zu werden.

Relevanz für pferdegestützte Förderungen: Diese Rahmenbedingungen sind in uns allen „eingeschrieben“ und wirken, ob bewusst oder unbewusst, sowohl in unserem alltäglichen als auch professionellen Denken und Handeln. Der Ansatz der Rassismuskritik berücksichtigt die eigene Verwobenheit in gesellschaftliche Macht- und Ungleichsverhältnisse und stellt somit eine notwendige Querschnittsaufgabe dar, die auch alle Bereich pferdegestützter Förderungen betrifft [Fußnote 2].

Folgen von Rassismus

Oft kommt es aus Unwissenheit oder Unüberlegtheit zu Rassismus; dadurch werden Grenzüberschreitungen für Betroffene aber nicht weniger verletzend oder wirken weniger benachteiligend. Die stetigen Prozesse von Ausgrenzung und Entwertung führen zu einer Vielzahl schmerzhafter und teilweise widersprüchlicher Gefühle [Fußnote 3]:

  • Stress
  • Wut
  • Ohnmacht
  • Scham
  • Selbstzweifel
  • Verletztheit
  • Unsicherheit
  • Schwäche
  • Demütigung
  • Trauer
  • Hilflosigkeit
  • Sprachlosigkeit

Infolge des sogenannten „racial stress“ steigt das Risiko von psychischen (z.B. Entstehung von Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörungen) und physischen (z.B. Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Magen-Darm-Probleme) Erkrankungen. Zusätzlich sind Betroffene nachweislich vermehrt psychosozialen Belastungen ausgesetzt [Fußnote 4]:

  • Armut
  • Arbeitslosigkeit bzw. ungünstige -verhältnisse
  • prekäre Wohnverhältnisse
  • erschwerter Zugang zu Ressourcen (z.B. Bildung, Maßnahmen zur Gesundheitsförderung)

Relevanz für pferdegestützte Förderungen: Sich der Wirkweisen von Rassismus bewusst zu werden, ist auch für den Bereich pferdegestützter Förderungen relevant, wo zwischenmenschliche Beziehungen eine zentrale Rolle spielen. Ohne sich entsprechendes Wissen anzugeignen und das eigene Denken und Handeln in Bezug auf Rassismus zu reflektieren ist es nicht möglich, einen schützenden, sicheren und Geborgenheit vermittelnden Rahmen zu schaffen [Fußnote 5] – eine Grundvoraussetzung für unsere Arbeit.


Fußnoten

[1] vgl. IDA 2022, DemokratieWEBstatt 2017:6f, Gümüsay 2020:34

[2] vgl. IDA 2022, Netzwerk Black She 2019:1

[3] vgl. Opferperspektive 2021

[4] vgl. Jarosz 2021, Ogette 2019:54f

[5] vgl. Brühwiler Senn 2018:18

Literatur und Quellen

Brühwiler Senn, Ruth (2016): Personenzentrierter Ansatz und körperorientierte Interventionen im Therapeutischen Reiten, in Gäng, Marianne (Hg*in): Therapeutisches Reiten, 3. Auflage, München, S. 18.

DemokratieWEBstatt (2017): Rassismus und Vorurteile, https://www.demokratiewebstatt.at/fileadmin/ebooks/pdf/eBook_Rassismus_und_Vorurteile.pdf [externer Link] am 14.02.2022, S. 6-7.

Gümüsay, Kübra (2020): Sprache und Sein, Berlin, S. 34.

IDA – Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit (2022): Glossar: Diskriminierung, kulturelle Aneignung, Rassismus, Rassismuskritik, Weiß/Weißsein, https://www.idaev.de/recherchetools/glossar/ [externer Link] am 15.02.2022.

Jarosz, Daniela (2021): Auswirkungen von Rassismus auf die physische und psychische Gesundheit, https://www.apomio.de/blog/artikel/auswirkungen-von-rassismus-auf-die-physische-und-psychische-gesundheit#:~:text =%20Im%20 Kontext%20von%20Rassismus%20besonders%20h%C3%A4ufig%20vorkommende,Essst%C3%B6rungen%20sowie%20somatoforme%20St%C3%B6rungen%207%20Suizidalit%C3%A4t8%20More%20 [externer Link] am 22.02.2021.

Mansouri, Malika (2021): Mit Recht oder trotz Recht gegen Rassismus? Antidiskriminierungsrecht – in, für und durch die Soziale Arbeit, Melter, Claus (Hg*in): Diskriminierungs- und rassismuskritische Soziale Arbeit und Bildung. Praktische Herausforderungen, Rahmungen und Reflexionen, 2. Auflage, Weinheim Basel, S. 70.

Netzwerk Black She (2019): Sprachmächtig. Glossar gegen Rassismus, https://www.el-maawi.ch/assets/templates/public/image/Flyer/Glossar%20RACE.pdf [externer Link] am 14.02.2022, S. 1.

Ogette, Tupoka (2019): exit RACISM: rassismuskritisch denken lernen, 4. Auflage, Münster, S. 64-65.

Opferperspektive (2021): Was ist Rassismus, Was ist Diskriminierung?, https://www.antidiskriminierungsberatung-brandenburg.de/was-ist-rassismus-was-ist-diskriminierung/ [externer Link] am 14.02.2022.